Den folgenden Brief habe ich heute an die Mitglieder meines SPD-Ortsvereins geschickt.
Seit Donnerstag steht fest, mit welchen Kandidaten wir im Wahlkreis Waiblingen in den Bundeswahlkampf gehen:
Olaf Scholz wird unser Spitzen- und Kanzlerkandidat.
Urs Abelein ist unser Kandidat für den Wahlkreis Waiblingen.
Es ist gut, dass in der Kandidatenfrage nun Klarheit herrscht, denn nun können wir uns wieder auf Themen und Aufgaben konzentrieren. Ich möchte heute drei Aspekte ansprechen, die mir für den kommenden sozialdemokratischen Wahlkampf wichtig sind.
1. Wen sprechen wir an?
Wenn ich nun wieder höre, die SPD müsse ihr „Kern-Klientel“ zurückgewinnen, und das seien „Arbeiter“ oder die „arbeitende Mitte“, dann halte ich das für eine problematische Verengung. Wir betreiben gerade KEINE Klientel-Politik.
Im Gegenteil: der Begriff einer „Volkspartei“ enthält unverzichtbar den Anspruch, für alle Menschen zu sprechen. Auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages geloben, eben nicht einer Klientel sondern dem GANZEN Volk zu dienen. Diese gemeinsame Verantwortung fürs Ganze ist der Gegenentwurf zu Ständeversammlungen oder Räterepubliken vergangener Zeiten.
Jetzt mögen einige sagen: ja, aber im Wahlkampf muss man doch das eigene Profil herausstellen. Muss sich von den anderen Parteien unterscheiden. – Richtig! Weiter unten, im dritten Punkt, sage ich etwas dazu.
Aber wenn die Frage ist, wen wir ansprechen, dann bitte sehr ALLE. Und insbesondere diejenigen, die (noch) nicht auf unserer politischen Wellenlänge sind. Auch diejenigen, die den falschen Propheten von AFD und BSW folgen. Denn die müssen wir von einer sozialdemokratischen Haltung überzeugen.
2. Was kann der Einzelne in krisengeschüttelter Zeit tun?
Ich halte am kommenden Mittwoch – dem 27. November – einen Vortrag über Viktor Frankl. Haltung und die Philosophie dieses Arztes kennen zu lernen, kann Inspiration zur Selbsthilfe sein. Ob in persönlichen existentiellen Krisen, oder inmitten einer an sich selbst verzweifelnden Gesellschaft.
Wir sind alle in ein unverwechselbares persönliches Leben geworfen. Mit unterschiedlicher Gesundheit, Talent, Glück ausgestattet – wie in einer Lotterie. Niemand ist daher für Glück oder Unglück der ganzen Welt verantwortlich.
Aber in den Situationen, in die uns das Leben gestellt hat, entscheiden wir uns. Jederzeit. Der Mensch ist das Wesen, das über sich nachdenken kann. Und das sich daher auch gegen Instinkte, Impulse und seine Prägung entscheiden kann.
Das ist in schwierigen Zeiten Entlastung und Verantwortung zugleich. Wir entscheiden ständig, wer wir am Ende sein werden. Wir entscheiden, welchen Sinn wir unserem Leben geben.
Den Vortrag habe ich daher mit einem Buchtitel von Viktor Frankl überschrieben: „Sinn, Freiheit und Verantwortung.“ – Ich würde mich freuen, dich dort unter den Zuhörern zu treffen.
3. Welche Haltung trägt eine Gesellschaft durch Krisen?
Derzeit prägt eine Tendenz zu Abschottung und Rückzug unsere Welt. Es gibt einen Reflex des Ein-Igelns. Zölle, Grenzkontrollen, Zuwanderung stoppen, Mauer bauen; oder auch regionaler Widerstand gegen unabdingbare Infrastruktur (Windkraft, Stromleitung, Schiene…).
Wenn nur das Fremde und Neue nicht wäre, dann würde es wieder so schön wie früher… Und wenn nur einer mal auf den Tisch hauen würde… Da wähle ich jetzt mal „das Original“, dann werden die da oben schon sehen…
1938 – Österreich war gerade an Nazi-Deutschland angeschlossen worden – entschied sich Karl Popper, seinen persönlichen Beitrag im Kampf gegen die Diktatur zu leisten. Sein Beitrag war eine historisch-philosophische Analyse: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.
Er findet Parallelen seiner Zeit in der griechischen Antike. Die Merkmale könnten aber auch uns bekannt vorkommen. Alte lieb-gewordene (politische) Strukturen und Traditionen vergehen, der Blick in die Zukunft ist bang, der Seufzer „früher war alles besser“ öfters zu hören.
Aber während die Vergangenheit unveränderbar ist, ist die Zukunft formbar. Wir gestalten sie mit. Wir können uns die Möglichkeiten bewusst machen. Inspiriert vom Fremden, von Erkenntnis, Bildung und von Phantasie. – Am fruchtbarsten und stabilsten geschieht dies in der von Popper beschriebenen offenen Gesellschaft.
Ich möchte das Werk Karl Poppers im Januar in einem weiteren Vortrag vorstellen. Termin und Ort werden im Laufe der kommenden Wochen festgelegt.
Aber zunächst würde ich mich freuen, dich bei meinem kommenden Vortrag zu treffen:
„Sinn, Freiheit und Verantwortung – Viktor Frankls Existenzphilosophie“
Am Mittwoch, dem 27. November, 19:00 Uhr in der Begegnungsstätte Rommelshausen / Haus Edelberg (fürs Navigationsgerät: Stettener Str. 31-37, 71394 Kernen im Remstal)
Der Eintritt ist frei.
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